Berichte darüber, dass mit einem E-Bike auch anspruchsvolle Touren fast mühelos zu schaffen seien, klangen für mich wie aus einem Märchen und mussten deshalb ein für alle Mal auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden. Den Bike-Verleih verlasse ich mit einem Top-Gerät und den nötigen technischen Anleitungen vom Chef persönlich. Auf meinem Bike durchquere ich das malerische Fuggerstädtchen Sterzing und nehme den Radweg nach Mareit in der Gemeinde Ratschings. Eine dünne Jacke für die Abfahrt, eine Trinkflasche und ein paar Energie-Riegel habe ich in meinen kleinen Rucksack gepackt. Wer weiß, ob der Akku wirklich hält, was der Verkäufer verspricht. Mit dem Antrieb im Eco-modus geht es gemächlich den Mareiterbach entlang. Ein leichtes Pedalieren genügt, den Rest schafft der Akku – ein ganz neues Fahrgefühl Im grüne Fischteich zu meiner Rechten spiegelt sich das Dörfchen Telfes mit dem hübschen Zwiebelturm. Ich rolle genüsslich Tal einwärts. Am Horizont glänzen gletscherbedeckte Dreitausender. Nach etwa sechs Kilometern endet der Radweg nach Mareit. Markant ins Auge fallen hier der spitze Kirchturm und das Barockschloss Wolfsthurn, das so viele Fenster hat, wie das Jahr Tage. Das hier untergebrachte Landesmuseum für Jagd- und Fischerei besuche ich ein anderes Mal.
Krafttest im Tour-Modus:
Ich folge der schmalen Straße zu den Weilern Vögls und Wetzl; die Steigung nimmt ordentlich zu. „Endlich ein Krafttest für mein E-Bike“, denke ich und schalte vom Eco- auf den Tour-Modus. Fast mühelos gewinne ich an Höhe. Wie Schwalbennester klebten alte Bauernhäuser an den Hängen. Rote Geranien schmücken die weißgekalkten Fensterlaibungen. Beim letzten Hof auf knapp 1.400m Meereshöhe endet die Asphaltstraße. Auf einem Schotterweg folge ich dem Wegweiser nach Ridnaun. Ich staune, wie gut mein E-Bike arbeitet. Im Handling bemerke ich kaum Unterschied zu meinem gewohnten Bergflitzer. Ich fühle mich topfit – und der Akku hat noch nicht mal die Hälfte der gespeicherten Energie verbraucht. Bald wir der Weg zum schmalen Pfad, und die Grashänge zu meiner Linken fallen steil in die Achenrainschlucht ab. Sicherheitshalber steige ich aus dem Sattel. Nach einer kurzen Schiebephase öffnet sich vor mir das weite Ridnauntal. Vorbei an Wegkreuzen und schmucken Gehöften geht es weiter bis zum Talschluss.Bei der Bergbauwelt Ridnaun-Schneeberg, wo der Besucher tief in die jahrhundertealte Bergbautätigkeit eintauchen kann, wechsle ich die Talseite und zweige auf die „Obere Erzstraße“ ab. Da der Genuss bekanntlich zum Schluss kommt, lasse ich es bei der finalen Abfahrt auf der Landstraße ordentlich krachen und komme sogar in Versuchung, den Helm abzunehmen und den Fahrtwind durchs Haar pfeifen zu lassen. Doch ich widerstehe dem Leichtsinn und genieße die pfeilschnelle Fahrt in vollen Zügen. Einen Preis habe ich zwar nicht bekommen, weder mit noch ohne Schweiß. Das E-Bike jedenfalls hat meinen Test mit Auszeichnung bestanden.
Auszug aus VIAE 2016